LOAD e.V.
Stellungnahme Registermodernisierung

Stellungnahme zum Registermodernisierungsgesetz

Stellungnahme

zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG)

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Der Verein für liberale Netzpolitik LOAD e.V. hält eine Registermodernisierung mit dem Ziel, die in den Registern verwandten Identitätsdaten zu plausibilisieren, Inkonsistenzen zu beseitigen und die Identitätsdaten laufend aktuell zu halten, für bedeutsam. Denn für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, also für die vollständige Digitalisierung der Verwaltungsleistungen und die Möglichkeit zum Bezug der digitalen Verwaltungsleistungen über den Portalverbund ist die Validität der abzurufenden Registerdaten unverzichtbar.

Das durch den Gesetzentwurf vorgeschlagene Verfahren ist jedoch verfassungsrechtlich unzulässig. Insbesondere die vorgeschlagene Nutzung der Steuer -ID für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement ist abzulehnen.

Ausgehend vom sogenannten Volkszählungsurteil hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen eine sektorübergreifend verwendete Personenkennziffer für mit der Menschenwürde nicht vereinbar und daher verfassungswidrig gehalten:

„Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist“ (Mikrozensusurteil,  Beschluss vom 16.07.1969 – 1 BvL 19/63). Das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass infolge der Verknüpfung aller zu einer Person in den unterschiedlichsten Datenbeständen mit verschiedenen Zwecken vorhandenen Informationen und Daten umfassende Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten, die in  ihrer Reichweite kaum überschaubar und weitgehend intransparent seien.

Zwar schließt Artikel 87 DSGVO zentrale Personenkennziffern in den EU-Mitgliedstaaten nicht prinzipiell aus. Gerade die historischen Erfahrungen in Deutschland mit dem Missbrauch persönlicher Daten und die darauf aufbauende Verfassungsrechtsprechung lassen jedoch eine solche zentrale Datenzusammenführung als verfassungsrechtlich unzulässig erscheinen.

Wenn der Gesetzentwurf darauf abzielt, bei mehr als 50 Registern die Steuer-ID als zusätzliches Ordnungsmerkmal zu verwenden, könnten etwa aus der Verbindung von Melderegisterdaten mit Versichertendaten der Krankenkassen sowie Daten aus dem Schuldnerverzeichnis zu einem Persönlichkeitsprofil erstellt werden. Hierauf weist zu Recht die Datenschutzkonferenz hin. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen technischen und organisatorischen Sicherungen stellen keine ausreichende Barriere gegen eine solche missbräuchliche Zusammenführung von Daten dar.

In Betracht kommt demgegenüber die auch von der Datenschutzkonferenz befürwortete Einführung von sektorspezifischen Personenkennziffern. Hierdurch könnten die vom Gesetzesvorschlag diagnostizierten Inkonsistenzen bei den Identifizierungsdaten angegangen, zugleich aber eine dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung widersprechende staatliche Entwicklung von Persönlichkeitsprofilen entgegengewirkt werden.

Hintergrund:

Die Bundesregierung hat in dieser Woche den Entwurf des Registermodernisierungsgesetzes beschlossen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat am 31. Juli 2020 einen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG) vorgelegt. Der Vorschlag versteht sich als Beitrag zur Verbesserung des Identitätsmanagements im Rahmen der Registermodernisierung. Mit dem Aufbau eines registerübergreifenden Identitätsmanagements soll eine verlässliche Datengrundlage für die öffentliche Verwaltung geschaffen und die Interoperabilität der Register gefördert werden. Ziel ist es, sowohl die Aktualität der Daten zu verbessern, als auch die Umsetzung des „Once-only-Prinzips“ zu ermöglichen.

Der Gesetzesvorschlag geht auf ein Gutachten des Nationalen Normenkontrollrat von 2017 zurück („Mehr Leistung für Bürger und Unternehmen: Verwaltung digitalisieren. Register modernisieren.“ https://www.normenkontrollrat.bund.de/re-source/blob/72494/476004/12c91fffb877685f4771f34b9a5e08fd/2017-10-06-download-nkr-gutachten-2017-data.pdf). Der NKR hatte darin auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus Inkonsistenzen und Redundanzen in der Datenhaltung von ca. 220 zentralen und dezentralen Datenregistern sowie aus sich wiederholenden Datenerhebungen bei betroffenen Personen ergeben, und insoweit ein besseres Identitätsmanagement angemahnt.

Der Gesetzesvorschlag verweist zum einen darauf, dass Personenverwechslungen in den Registern aufgrund von Transkriptionsfehlern, Namensverwechslungen, unterschiedlichen Aktualisierungsfrequenzen und unterschiedlichen fachlichen Anforderungen ausgeschlossen werden müssten und vorhandene Datenbestände in den Registern den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern fehlerfrei zugeordnet werden sollten. Zum anderen sei die Bevölkerung beim Kontakt mit der Verwaltung für die Beantragung von Leistungen nicht immer wieder die gleichen Daten angeben wollten, die an anderer Stelle der Verwaltung bereits bekannt sind. Die redundante Datenhaltung widerspreche auch dem Gebot der Datenminimierung. Schließlich könne ein registerübergreifendes Identitätsmanagement die Grundlage für einen im Aufwand und Kosten verminderten Zensus sein. Dies wiederum trage dazu bei, die Bürgerinnen und Bürger von bislang erforderlichen Befragungen zu entlasten und Bürokratie abbauen.

Zur eindeutigen Zuordnung in den für die Umsetzung des OZG relevanten Registern soll lt. Gesetzesvorschlag die Steuer-Identifikationsnummer nach § 139b AO genutzt und um die für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement notwendigen Elemente ergänzt werden.

Registerführende Stellen in Bund und Ländern werden durch das vorgeschlagene Gesetz verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren die Steuer-Identifikationsnummer als zusätzliches Ordnungsmerkmal in den Registern zu speichern und andere Personendaten damit zu ersetzen, die Daten sodann aktuell zu halten und den Bürgerinnen und Bürgern über das sog. Datencockpit Auskunft über die gespeicherten Daten zu gewähren. Als Registermodernisierungsbehörde soll das Bundesverwaltungsamt fungieren. Diese soll eine Übersicht über bestehende Register erstellen, beim Bundeszentralamt für Steuern die Identifikationsnummer im automatisierten Verfahren abrufen und an die registerführenden Stellen zur Erfüllung der dortigen Aufgaben übermitteln. Durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen sei sicherzustellen, dass die Daten nicht unbefugt verarbeitet werden können. Verstöße gegen die Datenschutzvorschriften sollen strafrechtlich geahndet werden.


Der Vorstand,
Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, Mitglied
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